Die sogenannten "goldenen Zwanziger"
1926-1933
In der Versammlung vom 6. Juni 1926 wurde als neuer Präses Kaplan Gerhard Fortkamp durch Pfarrer Wilhelm Runtenberg eingeführt. Der Präses versprach, seine ganze Kraft in den Dienst der guten Sache zu stellen.
In der Generalversammlung am 6. Februar 1927 wurde festgestellt, daß der Verein zu Anfang des Jahres 1926 eine Stärke von 348 Mitgliedern hatte. Aufgenommen wurden 31, zugegangen sind 2, gestorben 6, ausgetreten oder gestrichen wurden 23, so daß am Ende des Jahres 346 Mitglieder vorhanden waren. Für das ausscheidende Vorstandsmitglied Anton Bludau wurde Theodor Kathage gewählt.
Ende des Jahres 1927 schlossen sich der Kirchenchor, die Männer-Bruderschaft, die Ehrengarde, die Jungfrauenkongregation, der Jünglingsverein und der Knappen- und Arbeiterverein zu einem "Ortskartell der kirchlichen Vereine von Herz-Jesu" zusammen. Erste Frucht der Bemühung dieser Arbeitsgemeinschaft war die Aufführung des Weihnachtsspiels "Das Gotteskind", das am 8. und 15. Januar 1928 im Saale des Prosperkasinos aufgeführt wurde. Die szenischen Darbietungen wurden von den Theater-Abteilungen der Jungfrauenkongregation, des Jünglingvereins und des Knappen- und Arbeitervereins gegeben; bei den musikalischen wirkten der Kirchenchor mit Knaben und der Jungfrauenchor mit.
In der Generalversammlung am 5. Februar 1928 wurde eine Mitgliederzahl von 337 festgestellt. Bei den Wahlen wurden als Delegierte die Vereinskollegen Koll, Scheffler, Kerl und Frochte neu hinzugewählt.
Im Jahre 1928 fand in allen Kirchengemeinden für die katholischen Arbeitervereine eine intensive Mitgliederwerbung statt, die von der katholischen Presse unterstützt wurde. Im Bereich des Bezirksverbandes Gladbeck konnten für die 27 Vereine insgesamt 570 Mitglieder neugewonnen werden, davon für die 7 Vereine in Bottrop 248 Mitglieder.
In der Generalversammlung vom 27. Januar 1929 wurde ein Bestand von 337 Mitgliedern angegeben.
Am 24. Februar 1929 tagte der Stadtverband der katholischen Knappen- und Arbeitervereine im Jugendheim St. Josef in Batenbrock. Der Vorsitzende des Stadtverbandes, Kaplan Gerhard Fortkamp, leitete diese Tagung, die im Zeichen der politischen Bildung stand. Es referierten der Stadtverordnete Droste über "Grundsätzliches über Komunalpolitik" und der Reichstagsabgeordnete Arbeitersekretär Riesener über "Vorgänge in der politischen Arbeit der letzten Zeit". Letzterer gab die Gründe an, warum die Zentrumspartei ihren Minister aus der Regierung zurückgezogen habe.
Vom 1. bis zum 7. Dezember 1929 führten die Vereine wieder eine intensive Mitgliederwerbung durch. In einer Pressemitteilung wird festgestellt, wie viele Mitglieder der Bottroper Arbeitervereine im öffentlichen Leben tätig sind:
"Im kirchlichen Leben stehen heute 83 Mitglieder, die in den Kirchenvorständen tätig sind. Hier wirken sie im Verein mit den übrigen Vertretern im Interesse unserer Kirchengemeinden. Mehr als 60 Mitglieder sind in der Caritasbewegung, der Armenpflege und im Fürsorgeausschuß tätig. Den Armen zu helfen, ist stets Aufgabe unserer katholischen Arbeiterbeitervereine gewesen. Ist doch die Not heute so sehr groß, daß nur gewünscht werden kann, daß noch mehr Helfer erstehen. Das Werk echt christlicher Nächstenliebe muß noch besser ausgebaut werden. Stadtverordnete sind in Bottrop aus den Reihen der kath. Arbeitervereine 5 vorhanden, die innerhalb der Zentrumspartei tätig sind. Im Schulausschuß werden 3 Mitglieder gestellt. In sonstigen anderen Ausschüssen 10. Mehr als 65 Mitglieder sind in den Elternbeiräten der Volksschulen tätig. Als Betriebsratsmitglieder auf den Bottroper Schachtanlagen fungieren 12, ferner sind 5 Mitglieder als Knappschaftsälteste bestellt. Als Arbeitsrichter beim Arbeitsgericht in Gladbeck ist einer tätig, als Schöffe beim Landgericht in Essen zwei..."
Im Westfälischen Hof veranstaltete der Verein am zweiten Weihnachtstag 1929 eine Weihnachts-Familienfeier. Nach kurzen Ansprachen der Kapläne Gerhard Fortkampund Hermann Klapheck folgten Unterhaltungsdarbietungen. Die Theaterabteilung führte das Weihnachtsspiel "Das vierte Gebot" auf.
Im Zeichen der Welt-Wirtschafts-Krise
1930-1931
Am 1. Januar 1930 hatte der Knappen- und Arbeiterverein 350 Mitglieder.
Bei in der Generalversammlung am Sonntag, dem 12. Januar 1930, wurde auf die sechs wichtigen Vorträge hingewiesen, mit denen die Mitglieder ihr bildungs- und sozialpolitisches Wissen erweitern konnten: Ein Vereinsmitglied hielt ein Referat über die "Katholische Aktion", Gewerkschaftssekretär Georg Budke sprach über "Das Verhältnis von Christlichen Gewerkschaften und Katholischen Arbeitervereinen", Rektor Johannes Menke über "Die Kommunalpolitik". Der Präses, Kaplan Gerhard Fortkamp, hielt einen Vortrag über "Die katholischen Arbeitervereine und der Wohnungsbau", Jakob Lassak über "Die Kommunalwahlen" und der 2. Vorsitzende des Bottroper Arbeitsamtes über "Das Arbeitslosenversicherungsgesetz und die Arbeitervermittlung". Im Laufe des Jahres wurde über die Gründung einer Bausparkasse beraten und verhandelt. Bei den Wahlen wurden zu Delegierten gewählt: Max Schymitzek und Alois Smolka. Zum Bühnenmeister wurde der Kollege Kerkhoff, zu seinen Gehilfen die Kollegen August Fojcik und Josef Wehner gewählt.
Am 9. August 1930 erhielt der Präses, Kaplan Gerhard Fortkamp, seine Versetzung nach Deuten bei Hervest-Dorsten. Der Verein veranstaltete im September eine würdige Abschiedsfeier. Ebenfalls im September 1930 wurde Kaplan Leo Grimmelt von Pfarrer Wilhelm Runtenberg als Präses eingeführt.
Am 24. Oktober 1929 war in den USA die große Wirtschaftskrise ausgebrochen, die infolge der Verflechtung der Weltwirtschaft vor allem alle Industriestaaten traf. Auch die Arbeiter in Bottrop hatten unter der wieder stark einsetzenden Arbeitslosikeit zu leiden. Im Laufe des Jahres 1930 wuchs besonders die Zahl der jugendlichen Erwerbslosen. Die Kirche und die in den Vereinen tätigen Gläubigen riefen zur Hilfe auf und entwickelten alle nur erdenklichen Programme zur Linderung der Not; neben finanzieller Unterstützung und Zuteilung von Lebensmitteln und Kleidung wurde u.a. die Einrichtung von Nähstuben, Lese- und Wärmehallen etc. vorangetrieben. Ebenfalls wurden Freitische für notleidende Kinder bei kirchlichen Anstalten und Familien vermittelt.
Erschreckend war die wachsende Radikalisierung nach rechts und nach links. Auf einer Konferenz der katholischen Geistlichen der Dekanate Bottrop, Buer, Dorsten und Gladbeck am Dienstag, dem November 1930, ging der Diözesanpräses der Knappen- und Arbeitervereine, Dr. August Konermann, in seinem Vortrag sehr eingehend auf die Wirtschaftskrise ein: Schon jetzt seien über 3 Millionen Arbeitslose vorhanden und es sei nicht abzusehen, ob es nicht noch mehr würden. Unsere katholische Arbeiterstandesbewegung habe jetzt und in der kommenden Zeit eine hohe Aufgabe zu erfüllen. Nachdem der Liberalismus und der Kapitalismus versagt hätten und keine Wege zur besseren Ordnung wüßten, müßten wir von unserem Standpunkt aus ein neues Ordnungsbild in der Wirtschaft aufrichten. Unsere Kirche allein biete die einzige Möglichkeit, eine Ordnung zu schaffen, in der alle Menschen Anerkennung fänden. Unter allen Umständen müsse die staatliche Ordnunung aufrechterhalten bleiben.
Am 30. November 1930 hielt der Verein im Lokale Korte an der Prosperstraße eine eindrucksvolle Gedenkfeier für die Opfer des Krieges und der Arbeit ab. Eingeleitet wurde die Feier mit einem Musik-Solo-Vortrag von Josef Putzig und einem Prolog von dem Mitglied der Jugendabteilung Müller. Die Ansprache hielt der Präses, Kaplan Leo Grimmelt.
In der Not der Arbeitslosigkeit fand der Nationalsozialismus Zulauf besonders beim kleinen Mittelstand, bei Angestellten aber auch bei Arbeitern. In der Presse warnte der Jesuitenpater Friedrich Muckermann vor den nationalsozialistischen Lockungen.
Aber auch linke Extremisten machten sich in Bottrop besonders zu Weihnachten 1930 bemerkbar. Sie gaben Parolen heraus, an Antiweihnachtskrawallen teilzunehmen. In der Tat gab es an den Feiertagen mehrere Störungsversuche in Bottrop, u.a. wurden das Haus des Studiendirektors Decker und des Oberbürgermeisters Dr. Erich Baur angeriffen.
9. Auseinandersetzung mit radikalen Ideen 1931-1932
Am Dreikönigstag 1931 fand eine schlichte Weihnachtsfeier des Vereins im Jugendheim statt. Der Ehrenpräses, Pfarrer Wilhelm Runtenberg, ergriff das Wort zu einer längeren Ansprache über die Bedeutung der Weihnachtsfeier in der jetzigen schweren Zeit und bat, die Weihnachtsstimmung recht lange wirken zu lassen, zum Segen der Familie und des ganzen Vereins. Die Theaterabteilung führte die Stücke "Unter dem Tannenbaum" und "Die Sühne der Christnacht" auf.
Am folgenden Tage wurde 527 Kinder der Mitglieder in einer eigenen Weihnachtsfeier beschert. Die Meßdiener führten das Stück "Der Kampf mit dem Riesen" auf.
Am Sonntag, dem 11. Januar 1931, fand die Generalversammlung statt. Aus dem Jahresbericht ging hervor, daß im vergangenen Vereinsjahr sieben Bildungsvorträge stattfanden, daß das religiöse Leben durch Einkehrtage, Exerzitien in Borbeck und durch eine Männerwallfahrt nach Neviges bereichert wurde und daß auch Unterhaltung und Theaterspiel trotz der angespannten Verhältnisse nicht zu kurz kamen.
Auch das Jahr 1931 stand im Zeichen der geistigen Auseinandersetzung mit dem immer stärker in öffentlicher Erscheinung tretenden Nationalsozialismus. In hoher Auflage wurden Aufklärungsschriften von Bistümern, katholischen Vereinszentralen, Ordensleuten und katholischen Verlagen unter das Volk gebracht. Wer z.B. die Schrift aus dem Katholischen Tat-Verlag, Köln, "Christenkreuz oder Hakenkreuz, Tatsachen und Bilder aus der nationalistischen Geistesbewegung" gelesen hatte, konnte eine grundlegende Orientierung über das entlarvte Programm der Nazi-Partei und über die Stellungnahmen des Papstes und der deutschen katholischen Bischöfe sein eigen nennen. In der örtlichen Presse bemühte sich der Jesuitenpater Friedrich Muckermann mit klaren Worten, den Lesern die Irrlehren des Nationalsozialismus zu erläutern, der seine Weltanschauung an die Stelle des christlichen Glaubens setzte.
Inzwischen war die Arbeitslosigkeit fortgeschritten und immer mehr zu einer großen Volksnot geworden. Die katholischen Vereine hatten sich auch finanziell für ihre arbeitslosen Mitglieder eingesetzt. Um über die Vereinsgrenzen hinaus helfen zu können, wurde in der Herz-Jesu-Gemeinde ein katholisches Jugendwerk gegründet, das sich bemühte, alle arbeitslosen katholischen Jungmänner zu erfassen, um sie an drei Nachmittagen in der Woche in einem jeweils vierstündigen Bildungsangebot zu beschäftigen. In der Form freier Vorträge oder Aussprachen wurden allgemein wichtige belehrende und interessante Themen behandelt, u.a. Fragen der Lebenskunde, der Weltwirtschaft, Staats- und Bürgerkunde, Technik, Gesundheitslehre, Gartenkunde etc. Aber auch Basteln, Lichtbilder- und Musikvorträge wurden angeboten. Wer an dem Kursus im Jugendheim regelmäßig teilnahm, war von der Pflicht des "Stempelns" befreit. Der erste Kursus begann am 10. März 1931.
Am Sonntag, dem 29. März 1931, fand in Buer der stark besuchte Frühjahrsdelegiertentag der vestischen Arbeiter- und Knappenvereine statt. Der Reichstagsabgeordnete Riesener stellte in seiner Begrüßungsansprache fest:
"Unserem Volke werden zwei Wege vorgezeichnet: der kommunistische und der faschistische. Beide führen das Volk in große Not, beide ins Chaos. Wir haben ein anderes, ein besseres Ziel: wir haben den klaren und bereiten Willen, ein christliches Staatssystem aufzubauen, eine soziale Ordnung zu errichten, in der auch der als gleichberechtigter Mensch geachtet wird, der mit seiner Hände Arbeit sein Brot verdient. Wir wollen den Staat errichten, der wirklich christlich und der wirklich sozial ist ..." Auch der Landtagsabgeordnete Schamer stellte u.a. fest: "Die Nationalsozialisten stehen im schärfsten Gegensatz zu unserer katholischen Auffassung ..."
Eine schlichte Familienfeier des Vereins fand am Sonntag, dem 26. April, im Prosperkasino statt. Am Nachmittag wurde eine Theatervorführung für die Kinder veranstaltet. Am Abend bot Wilhelm Scheiermann Gesangsdarbietungen, die er auf Wunsch des Publikums wiederholen mußte.
Die Theaterabteilung spielte den Sechsakter "So lang dein Mütterlein noch lebt".
Am Sonntag, dem 3. Mai 1931, veranstalteten die katholischen Arbeiter- und Knappenvereine der Diözese Münster aus Anlaß der 40-jährigen Feier der Enzyklika "Rerum novarum" eine Wallfahrt nach Kevelaer. Unter den vielen Tausenden katholischer Arbeiter befanden sich auch eine sehr große Anzahl von Vereinsmitgliedern aus der Herz-Jesu-Pfarre.
Zum goldenen Jubelfest des Knappen- und Arbeitervereins Buer-Resse am 5. Juli 1931 entsandte der Verein - wie auch sonst zu ähnlichen Festen anderer Vereine - schon morgens die Fahnendeputation. Am Nachmittag reisten dann die Mitglieder zum Festzug nach Buer-Resse.
Die Mitglieder der Theaterabteilung nahmen an einem Lehrgang für Laienspiele am 18. und 19. Juli 1931 im katholischen Gesellenhaus in Gladbeck teil. Auf dem Programm standen: 1. Das Arbeitertheater. 2. Die Grundlage des Sprechens. 3. Übung eines Sprechchores. 4. Industriespiel und Vereinsbühne. 5. Proben zu einem Industriespiel.
In den Gartenanlagen des Jugendheims fand am Sonntag, dem 23. August 1931, eine gemütliche Zusammenkunft der Vereinsmitglieder und ihrer Angehörigen statt. Wegen des Platzmangels konnten keine Kinder zugelassen werden.
Aus Anlaß des Stiftungsfestes fand am Sonntag, dem 27. September 1931 im Saale des Westfälischen Hofes ein Familien-Abend mit Theater-Aufführung statt. Gespielt wurde das fünfaktige Volksstück "Versöhnung" von Wilhelm Lenze. Schon am Nachmittag fand eine Aufführung für die Kinder statt.
Am Sonntag, dem 11. Oktober 1931, wurden alle Gemeindemitglieder von Herz-Jesu zur Bezwingung der Winternot zur Winterhilfe aufgerufen. Frauen und Mädchen der Pfarre sammelten von nun an sonntags für die ärmeren Menschen in der Gemeinde Sach- und Geldspenden. Schon die erste Büchsensammlung hatte ein sehr gutes Ergebnis
Die jüngeren Mitglieder des Vereins, die "Katholische Werkjugend", hatte im Herbst 1931 eine Handballmannschaft gegründet.
Nachdem die Mitglieder an der Christkönigskundgebung der Katholischen Jugend am 25. Oktober 1931 teilgenommen hatten, trugen sie auf dem Platz an der Knippenburg ein Werbespiel gegen die Werkjugend St. Michael aus.
Ende Oktober 1931 hatte Bottrop dreieinhalbtausend Wohlfahrtsemfänger.
Die Winterhilfe der Gemeinde durfte durch Vermittlung der Diözesan-Caritasstelle in der alten Pfarre Warendorf kollektieren. Über 500 Zentner Kartoffeln konnten nach Bottrop verladen und die bedürftigen Familien damit unterstützt werden. Frauen und Mädchen besserten an Nachmittagen die gesammelten Kleidungs- und Wäschestücke aus.
Am 2. Dezember 1931 sprach im großen Saal des Kolpinghauses Ruhrkaplan Dr. Carl Klinkhammer aus Altenessen über das Thema "Lenin, Hitler, Christus". Hunderten mußte der Eintritt in den Saal polizeilich verweigert werden, weil der Saal mit 1400 Menschen überfüllt war.
Am 27. Dezember 1931 fand im Westfälischen Hof die Weihnachtsfeier des Vereins statt, bei der das dreiaktige Schauspiel von P. Houben O.M., "Der Stadthalter von Syrakus", aufgeführt wurde.
10. Am Vorabend der "Machtergreifung" 1932-1933
In der Generalversammlung am Sonntag, dem 10. Januar 1932, hielt der Präses Kaplan Leo Grimmelt die Ansprache. Vizepräses Scheffler erstattete den Jahresbericht, aus dem hervorging, daß trotz der immer größeren Not in den Familien der Vorstand in Zusammenarbeit mit dem Präses und allen Funktionären den Verein nach innen und außen zur größeren Entfaltung bringen konnte. Für das ausscheidende Vorstandsmitglied Ortmann wurde der Kollege Sandkühler in den Vorstand gewählt.
Das Jahr 1932 war in der Innenpolitik des Deutschen Reiches besonders unruhig. Am 10. April wurde der greise Reichspräsident Hindenburg nach Ablauf seiner Amtszeit mit den Stimmen des Zentrums im zweiten Wahlgang wiedergewählt (53,0%). Seine Gegenkandidaten Hitler (36,8%) und Thälmann (10,2%) unterlagen deutlich.
Am 30. Mai trat Reichskanzler Heinrich Brüning zurück, weil Hindenburg ihm das Vertrauen entzogen hatte. Franz von Papen, der am 3. Juni 1932 aus dem Zentrum austrat, wurde sein Nachfolger. Am 17. November mußte aber auch er zurücktreten, um General Kurt von Schleicher, einem Gegenspieler der NSDAP, Platz zu machen.
In einem Wahlaufruf des Bezirksvorstandes vom 11. Februar 1932 heißt es, daß sich die Mitglieder der katholischen Knappen- und Arbeitervereine in die Listen zur Wiederwahl des Reichspräsidenten von Hindenburg in erfreulich großer Zahl eingetragen hätten.
Ende Februar 1932 fand im Franz-Hitze-Haus in Gladbeck eine Gruppenführerkonferenz der katholischen Werkjugend statt, auf der festgestellt wurde, daß die Pflege der standesbildenden Kräfte als eine der wichtigsten Aufgabe der Bildungsarbeit anzusehen sei; denn der Werkjugend falle eine besondere Führeraufgabe innerhalb der katholischen Jugend zu. Ihr sei es zugeteilt, das Laienapostolat bei den vielen abseitsstehenden, vielfach vom Radikalismus erfaßten Standesbrüdern auszuüben.
Am Sonntag, dem 23. Oktober 1932, fand in Gladbeck der Herbstdelegiertentag verbunden mit der Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des katholischen Arbeitersekretariats statt. Um 9 Uhr war in der Lambertikirche ein Festhochamt. Am Nachmittag wurde im Gesellenhaus die Jubiläumsfeier gehalten, in der die Festreden hielten der Verbandspräses, Prälat Dr. Müller, Köln, und der Regierungspräsident von Aachen, Georg Stieler, der von 1911 bis 1921 Arbeitersekretär des Bezirksverbandes Gladbeck gewesen war. Reichstagswahlen fanden am 6. November statt. In einem Appell des Vorstandes des Bezirksverbandes wurde diese Wahl als die bedeutungsvollste nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet; denn: "..
Niemals waren die soziale Stellung der Arbeiterschaft und die staatsbürgerlichen Rechte eines Volkes so gefährdet wie jetzt..."
Aus den Wahlen ging das Zentrum gestärkt hervor. Arbeiterführer Josef Joos, stellvertretender Vorsitzender der Zentrumspartei, dankte in Presseveröffentlichungen der katholischen Arbeiterschaft und sagte, sie habe "... auf der ganzen Linie bewiesen, dass sie weiß, was Politik ist und was eine klare politische Gesinnung von jedem Wahlmündigen erfordert."
In Buer starb am 12. November 1932 der Bezirkspräses der katholischen Knappen- und Arbeitervereine, der Krankenhausrektor Bernhard Füchter. Über dreizehn Jahre war er der starke, zielbewusste und entschlossene Führer des Bezirksverbandes. An seiner Beerdigung nahmen rund 3 000 Arbeiter teil.
Um der Not der jungendlichen Arbeitslosen entgegenzusteuern, wurde vom Katholischen Jungmännerverband die Idee des "Freiwilligen Arbeitsdienstes" aufgegriffen. Im November 1932 hatten sich 70 junge Männer gemeldet und sich in zwei Lagern zusammengetan; 30 Dienstwillige in der Jugendherberge Bischofssondern, um in den umliegenden Wäldern Wege anzulegen, Gräben zu ziehen und Bäume zu fällen; 40 Dienstwillige bildeten eine halboffene Lagergemeinschaft im Josefshaus, um im Krähenbusch Schrebergärten anzulegen. Die Arbeiten wurden durch ein Kulturprogramm begleitet, dessen pädagogischer Leiter Kaplan Bernhard Pardun wurde. Es wurden Verhandlungen eingeleitet, die frühere Herz-Jesu-Notkirche in eine Arbeitsdienstwilligenstätte umzuwandeln.
Trotz Not und Arbeitslosigkeit wurde die Geselligkeit gepflegt. So hatte der Vorstand der Theaterabteilung des Vereins am Sonntag, dem 27. November, seine Mitglieder nebst Angehörigen und Freunden zu einem gemütlichen Abend versammelt. Der Leiter der Abteilung, Wilhelm Hackmann, konnte unter den Gästen den Präses, Kaplan Leo Grimmelt, den Vizepräses Vinzenz Scheffler und die Gesangabteilung mit ihrem Dirigenten Aloys Scherkamp begrüßen. Unter den Darbietungen des Abends wurde ein Solovortrag des Mitgliedes Homscheidt und die humoristischen Vorträge von Ernst Becker mit besonders reichem Beifall bedacht.