850 Jahre St. Cyriakus

Vorbemerkung

 

Auf Grund der Tatsache, dass unsere St. Cyriakus - Gemeinde  850 Jahre alt geworden ist, dürften vielleicht einige Aspekte aus der Geschichte unserer Gemeinde für viele von Interesse sein.

Aus der Geschichte unserer St. Cyriakus - Gemeinde

 

Unsere heutige Stadt Bottrop hat sich aus einem kleinen Dorf entwickelt, das die typische Siedlungsform des Münsterlandes hatte. Die damaligen Bauern siedelten im Einzelhofsystem, d.h. die Höfe lagen weit auseinander und waren je nach Bodengunst regellos und locker verteilt, denn jeder konnte sich im Anfang dort niederlassen, wo er gerade geeignetes Gelände fand. Der einzelne Hof bildete eine in sich abgeschlossene Einheit und war in der Regel von Eichen und Buchen umgeben. Im Laufe der Entwicklung des damaligen Dorfes bildeten sich dann fünf Bauernschaften: Lehmkuhle, Fuhlenbrock, Schlangenholt (Eigen), Boy (Welheim) und Batenbrock.Vom Donnerberg bis zur Boye und von der Emscher bis zum Köllnischen Wald lagen sie verstreut zwischen Wald und Heide. Noch eine andere Entwicklung war für diese Bauernschaften prägend. Mehr und mehr wurde das Leben der Bauern von sogenannten Oberhöfen abhängig. Ihre Abhängigkeit zeigte sich darin, dass sie Abgaben zu leisten hatten und bestimmte Arbeiten für diese Herrenhöfe kostenlos ausführen mussten.Der Bau der Cyriakus-Kapelle war ein weiteres Ereignis, das eine völlig neue Note in das örtliche Geschehen dieser Bauernschaften hineintrug.

kapDie Cyriakus-Kapelle  ( 1150 - 1425 )


Diese Kapelle wurde auf einem Grundstück in „Bottrop-Mitte" gebaut, das vom Hause Vondem der Osterfelder Kirche St. Pankratius geschenkt worden war. Die Kapelle hatte die Form eines Rundbaus mit einer Aussenwandhöhe von 5,80 m und einem Innendurchmesser von 10,50 m. Ihr Boden war gepflastert und der Hochaltar stand an ihrer Ostseite. Der Eingang befand sich auf der Westseite, die begradigt war, damit vielleicht einmal später ein Turm angebaut werden konnte. Die ganze Kapelle war aus Bruchsteinen gebaut und damit das erste Steinhaus im Dorf, das sicherlich von der damaligen Bevölkerung reichlich bestaunt wurde. Über der Mitte der Kuppel hing im Türmchen eine kleine Glocke. Rings um die Kapelle entstand nach und nach ein Friedhof. Die Cyriakus-Kapelle wurde zu. einem festen Vereinigungspunkt für das drohende Auseinanderleben der fünf Bauernschaften. Allmählich entwickelte sich nun ein strahlenförmiges Wegenetz von den Aussenbezirken zu dem neuen Mittelpunkt, das besonders an Sonn- und Feiertagen benutzt wurde.Inmitten der zerstreuten Einzelhöfe entstand um diese Kapelle ein „Kirchdorf", so dass sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Bauernschaften immer stärker entwickeln konnte. Der Name dieses Kirchdorfes „Borthorpe" --was soviel wie Bergedorf oder Dorf am Berge bedeutet - wurde dann die Gesamtbezeichnung für alle fünf Bauernschaften.
In den umfangreichen Güterverzeichnissen der Abtei Werden wird um 910 folgendes erwähnt, eine reiche Frau, Thiadhilt mit Namen, habe dem Kloster ihr umfangreiches Gut „Armbugila bzw. Armburgele" vermacht. Dieser Oberhof hiess dann später Arenbögel bzw. Armeler Hof.Aus dem Jahre 1150 gibt es ein Verzeichnis dieses Klosters, in dem die vom Armeler Hof abhängigen Bauern aufgeführt werden. Dort heißt es: „In Borthorpe hat Ebbeken 2 Malter Weizen, 11/2 Malter Gerste, 8 Denare als Heeresschilling, 3 Denare für den Frondienst, einen Obolus für Wein, einen für ein junges Huhn und einen Denar am Tage Mariä Himmelfahrt abzugeben." (1 Denar= 12 Pfennig) Dies ist die erste urkundliche Erwähnung unseres Stadt - Namens.
Eine Handschrift der Benediktinerabei Deutz (Köln) aus der gleichen Zeit listet auf, dass die Kapelle in Borthorpe einen Schilling (= ca. 72 Pfennig) an dieses Kloster zu zahlen habe. Im Kreis der dort aufgeführten Nachbarkirchen war die „Bottroper- Kapelle" die Kleinste; denn St. Pankratius in Osterfeld z.B. zahlte das Doppelte und St. Johannes in Kirchhellen sogar das Dreifache. Der Pfarrer von St. Pankratius hatte auch die Pastoratsrechte über die Kapelle im Dorf. Sie war dem heiligen Diakon Cyriakus geweiht. Er bemühte sich um die Christen, die zur Zwangsarbeit beim Thermenbau des römischen Kaisers Diokletian (284-305) verurteilt worden waren. Wahrscheinlich erlitt er im März 309 den Martertod, indem er enthauptet wurde. Das Fest dieses Heiligen wird nach alten römischen Märtyrerakten am 8. August gefeiert. Er gehört zu den 14 Nothelfern. Cyriakus heißt: Dem Herrn gehörig.
Sein Name findet sich auch auf der alten Kirchenglocke, die heute vor dem Rathaus unserer Stadt steht und fast 500 Jahre bis 1921 zum Gottesdienst und in Notzeiten geläutet hat. Die Übersetzung der lateinischen Inschrift auf dieser Glocke lautet: „Im Jahre des Herrn 1425 geweiht zu Ehren des Märtyrers und Bekenners Cyriakus. Cyriakus so heisse ich, Klaes Haller goss mich."

Wie wurde aus der Cyriakus-Kapelle eine richtige Dorfkirche?

Die um
1150 errichtete Cyriakus-Kapelle hat fast 300 Jahre im damaligen Dorf Borthorpe unverändert gestanden. Sie genügte in diesem langen Zeitraum der geringen Zahl der Dorfbewohner, die wie damals üblich - nur sehr langsam anstieg.
Neben dieser Kapelle gab es noch zwei weitere:
- Einmal ist die Johannis-Kapelle in Welheim zu nennen. Um
1230 vermachte Eberhard von Welheim sein Gut dem Deutschen Ritterorden und trat selbst in diesen Orden ein. Die so entstandene Kommende Welheim entwickelte sich zum größten und reichsten Grundherrn. Dies belegen z. B. Welheimer Urkunden aus dem Jahre 1369. Dort wird folgendes bewegliche Vermögen aufgelistet:11 wilde Pferde, 18 Ackerpferde, 2 Reitpferde, 72 Rinder, 64 Schweine, 305 Schafe, z6o Malter Roggen (= 75 Tonnen), 49 Malter Gerste (= 24 Tonnen).
Der Leiter der Kommende hatte die besondere Verpflichtung, den Armen zu helfen. So wurden monatlich 13 Arme mit je 20 kg Korn unterstützt. Das waren 260 kg im Monat bzw. etwas mehr als 3000 kg im Jahr, die von der Kommende Welheim aufgebracht wurden.
- Dann gab es noch die Schlosskapelle auf der Knippenburg, die um
1385 erbaut wurde. Die Familie der Knippenburger war ebenfalls sehr reich und hatte daher auch großen Einfluss auf das Leben der Bauern. Beide erwähnten Kapellen hatten aber für das gesamte Dorf nicht die zentrale Bedeutung wie die Cyriakus-Kapelle.Über das Leben der „normalen Bottroper" gibt es nur wenige Aufzeichnungen. Sie werden wohl eher in bescheidenen bzw. in ärmlichen Verhältnissen gelebt haben. Unter ihnen gab es aber auch „Tunichtgute"; denn in einem Dokument aus dieser Zeit heißt es:
 „Am Tage der Apostelteilung (15.Juli) des Jahres 1330 verleiht der Kölner Generalvikar und Weihbischofjohannes Strote einen Ablaß von 40 Tagen allen, die nach reuiger Beichte in der capella in borthorpe für die Verstorbenen ein Pater noster und Ave Maria beten und dem Allerheiligsten folgen, wenn es zu den Kranken gebracht wird. " 
Wie viele dabei mitgegangen sind, bleibt sicherlich ein Geheimnis.
Doch es gab auch fromme Leute im Dorf. So findet sich in einem anderen Dokument folgende Eintragung: „Im Jahre
1393, am Dienstag nach Pfngsten, überweisen Hermann Paßmann, seine Frau Elsebe (Elisabeth) und ihr Sohn Hermann der capellen to borthope zur Anschaffung von Kerzen vor dem Gericht anderthalb Scheffel Land. " Damit war eine Fläche gemeint, für die man etwa 60 kg Saatgut brauchte.
Schließlich war die Dorfbevölkerung doch so angewachsen, dass nicht mehr alle in der Cyriakus-Kapelle beim Gottesdienst Platz hatten. Die Kapelle war zu klein geworden. In der Zeit von
1419 bis 1425 wurde sie auf ihrer Westseite durch einen Anbau erheblich vergrößert. Hinzu kam jetzt auch der bereits geplante Turm, in dem die schon erwähnte Cyriakus-Glocke hing. Dieser Turm war 13,50 m hoch, seine quadratischen Seiten hatten eine Länge von je 6 m. Er war aus schweren Quadersteinen errichtet worden. An der Westseite des Turmes befand sich der einzige Eingang zur Kirche. Das ganze Gebäude mit Chor, Schiff und Turm war etwa 25 m lang; seine Mauern hatten eine Stärke bis zu 1,25 m.
Dies starke und wehrhafte Gebäude bildete zusammen mit der massiven Kirchhofsmauer im Dorf eine typische Kirchenfestung des „platten", d. h. nicht mit Stadtmauern geschützten Landes. Es gibt sogar eine historische Abbildung dieser Cyriakus-Kirche; denn im Streit um den Besitz des Waldes Bischoffs-Sondern zwischen dem Grafen vom Schaumburg-Holstein und dem Kölner Kurfürsten ließ dieser
1579 durch A. Mercator eine Karte des Waldes anfertigen. Gewissermaßen als Nebenprodukt findet man dort am Rande dieser Karte die Darstellung unserer Kirche.
Trotz der Vergrößerung blieb St. Cyriakus eine Filialkirche von St. Pankratius in Osterfeld.
Im Jahre
1429 wurde Johannes van Geske der erste Vizekurat (Vikar), d.h., er war der ständige Stellvertretet des Osterfelders Pastors in Bottrop, während seine Vorgänger ihren Dienst in der Kirche versahen, aber nicht unbedingt im Dorf wohnten.Dietrich von Knippenburg und einige Dorfleute waren die Hauptbefürworter einer völligen Abzweigung von Osterfeld. 1433 vermachte er deshalb diesem Geistlichen an St. Cyriakus auf Lebenszeit Haus und Hof in Bottrop (Ecke Essener Straße / Alter Südring). Dafür musste er zweimal in der Woche eine „Seelenmesse" in der Dorfkirche halten. Erst 1473 wurde St. Cyriakus eine selbstständige Pfarrei mit eigenem Kirchensiegel.
Noch ein anderes Ereignis ist aus dieser Zeit von Bedeutung: Bottrop war damals ein „begehrtes Markeckchen" wo sich gute Geschäfte machen ließen. Diesen Ruf verdankte das Dorf dem Michaelismarkt. Am Samstag vor dem 29. September war Viehmarkt auf der Kirchhellener- und Gladbecker Straße, wo vor allem Pferde und Schweine verkauft wurden. Am Sonntag war Krammarkt. Mit Kram bezeichnete man damals nicht Plunder, sondern Leder-, Holzwaren, Seile, Körbe, Tücher aus Wolle, Flachs und Leinen, Kuchen, Zuckerwaren usw.
Dieser Michaelismarkt war für viele Besucher im weiten Umkreis die Attraktion. Und bei allen Ereignissen in diesem Dorf war die CyriakusKirche, für die sich die Bewohner tatkräftig einsetzten, der Mittelpunkt.
Nachdem die Cyriakus-Kapelle im rs. Jahrhundert zu einer richtigen Dorfkirche mit eigenem Pastor geworden war, hätten die damaligen Bottroper eigentlich in Ruhe und Frieden leben können, wenn ihnen nicht durch die große Politik ein Strich durch die Rechnung gemacht worden wäre. Deshalb stehen die nächsten zwei Jahrhunderte aus der Geschichte unserer Cyriakus-Gemeinde unter folgendem Thema:

In schweren Zeiten war für die Dorfbewohner die Cyriakus-Kirche immer die letzte Rettung

Welche Ereignisse aus der großen Politik wirkten sich nun auch auf das kleine Dorf Bottrop aus? Mit der deutschen Reformation (Beginn 1517) zerbrach die bisherige Glaubenseinheit in Deutschland und Europa. Es gab zahlreiche Glaubenskriege, die gleichzeitig auch mit dem Gegensatz von Kaisermacht und Selbständigkeitsstreben der verschiedenen Landesfürsten eng gekoppelt waren.1519 wurde der Habsburger Karl V. zum deutschen Kaiser gewählt. Er führte 36 Jahre lang bis 1555 Krieg in vielen Teilen Europas, auch in Deutschland. Höhepunkt der Glaubens- und Machtkämpfe war der Dreißigjährige Krieg von 1618 -1648.
Ludwig XIV. regierte von 1661 bis 1715 als absoluter Herrscher (Sonnenkönig) in Frankreich und führte zahlreiche Kriege u.a. auch gegen Deutschland.200 Jahre lang gab es also Kriege, die aber nicht mehr mit Ritterheeren ausgetragen wurden, sondern in denen bezahlte Landsknechte kämpften. Oft zogen dann diese rauhen wilden Söldner plündernd durch die Lande, um sich den nicht gezahlten Lohn zu holen oder um ihn nach ihren Wünschen entsprechend aufzubessern.. Solche Kriegsgesellen haben auch das Dorf Bottrop öfter heimgesucht. Das damit verbundene Leid haben die Menschen zum grössten Teil mit ins Grab genommen. Einiges findet sich aber in Dokumenten und Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit.
1584/85 z.B. wurde das Dorf von solchen Landsknechten wochenlang besetzt. Alle 153 Familien, die damals in Bottrop lebten, litten unter großem Hunger. Oberst Martin Schenk von Nidegg, der zur protestantischen Kirche übergetreten war, fiel in das Land ein, um gegen den Kölner Kurfürsten Ernst - dem Vertreter der katholischen Seite - Krieg zu führen.Im. spanisch-niederländischen Krieg wurde 1589 die Kommende Welheim zerstört. Das Dorf und die Cyriakus-Kirche wurden gebrandschatzt.
Es wird von Raubüberfällen berichtet, bei denen Menschen entführt, misshandelt und ermordet wurden; Pferde, Kühe, Schweine und Schafe wurden geschlachtet, die Häuser wurden erst geplündert und dann in Brand gesetzt. Bei solch einem Überfall im Jahre
1599 ließen spanische Räuber u.a. insgesamt 300 Tiere aus dem Dorf mitgehen.

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1633 war das Jahr der Hessen mit Bränden und Plünderungen. Die Dorfbewohner mussten hohe Kriegssteuern aufbringen.
Besonders schrecklich muss es 1672 in Bottrop zugegangen sein. Während der „Raubkriege" Ludwig XIV. durchzogen französische Truppen Bottrop, und der holländische Reiterobrist van Wrangel ließ alle Häuser der 195 Familien des Dorfes zerstören und plünderte sogar die Kirchenfestung St. Cyriakus „bis auf das letzte Brotkorn".
Der dabei entstandene Gesamtschaden wird in alten Aufstellungen mit 15.130 Reichstalern angegeben. Um den so bezifferten Schaden sich annähernd vorstellen zu können, muss man berücksichtigen, dass z.B. eine Magd einen Monatslohn von einem Reichstaler (= 12 DM) erhielt, einem Bauern beim Verkauf eines Schweins ebenfalls ein Reichstaler gezahlt wurde und dass der Pastor von St. Cyriakus im Monat 10 Reichstaler Gehalt bekam. Dann erst wird ersichtlich, wie gravierend für die etwa 1.000 Dorfbewohner dieser Schaden gewesen sein muss.In diesen langen Schreckensjahren suchten die Menschen natürlich Schutz. Ihre letzte Rettung war immer die Dorfkirche zusammen mit der massiven Kirchhofsmauer. Dies galt insbesondere für die Bewohner im Bereich der Dorfmitte. Die Menschen der übrigen Bauernschaften suchten Schutz in der bereits erwähnten Kommende Welheim und auf der Knippenburg. Hinzu kamen noch die Ritterburgen Schlangenholt und Haus Hove. Die Kirchenfestung hatte man auf Grund der ständigen Kriegswirren noch weiter ausgebaut.
So wurde nach
1579 die Cyriakus-Kirche jetzt an ihrer östlichen Seite auf eine Gesamtlänge von 30 m vergrössert. Ausserdem bekam sie ein einheitlich hohes Dach. Im Südosten der Kirchhofsmauer (Ecke Poststr. / Adolf-Kolping-Str.) war ein Lagerhaus, das sog. Berghaus, und im Südwesten (Hochstr.) ein zweites Lagerhaus, die„ Schanze", eingefügt worden. Sie dienten auch zur besseren Verteidigung, weil sie aus der Kirchhofsmauer herausragten.In diese beiden Häuser und sogar in die Kirche brachten die Dorfbewohner in schweren Zeiten ihr Hab und Gut. Außerdem entstanden auf dem Friedhof noch vier Speicher aus Holz. Auch in ihnen konnten vor allem die Ernteerträge in Sicherheit gebracht werden. Das Vieh hielt man auf dem Friedhof.Einziger Zugang zu dieser Kirchen-Fluchtburg war das Leichentor (Liekentor) auf der Turmseite. In dieser Festurig fühlten sich die Dorfbewohner sicherer und geborgener als in ihren eigenen Mäusen zumal es eine Verordnung Kaiser Karls IV. aus dem Jahre 1371 gab in der es hieß, dass Angriffe auf Kirchen und Kirchhöfe und die dorthin geflüchteten Leute verboten sein sollten. Aber in Kriegszeiten wurde - wie schon erwähnt - darauf keine Rücksicht genommen. Es gab sogar einen Verteidigungsplan. Auf dem Turm der Cyriakus Kirche saß ein Wachtposten, der das Anrücken der feindlichen Truppen durch das Läuten der Glocke melden musste. Die Männer des Dorfes hatten sich dann auf bestimmten Alarmplätzen einzufinden. Auch bei Unglücksfällen, Bränden oder Überschwemmungen musste dieser Turmdienst die Glocke läuten.So wird sicherlich mancher dankbar auf die Cyriakus-Kirche geschaut haben, vor allem dann, wenn er alle Nöte heil und gesund überstanden hatte.

Arm wie eine Kirchenmaus -  aber voller Optimismus

In den unruhigen Zeiten von 1517 bis 1715 hatten die Bottroper Dorfbewohner immer wieder in der Cyriakus-Kirche Schutz gesucht, um Leib und Leben, Korn und Vieh zu retten. Doch die damalige Landbevölkerung suchte hier auch Trost und seelischen Beistand in diesen Zeiten der Not und der Bedrängnis. So wird von besonderen Andachten berichtet, in denen um den Schutz des Kirchenpatrons, des heiligen Cyriakus, gebetet wurde.Um 1568 wird zum ersten Mal ein Antoniusaltar in der Kirche erwähnt. Der heilige Antonius war der Patron der Bauern und wurde von ihnen besonders verehrt; denn er sollte ihr kostbares Gut - ihr Vieh - vor jedem Schaden bewahren, daher wurde er auch „Swine Tüns" genannt. Daneben wurde die heilige Agatha als Helferin bei Feuergefahr um Beistand angefleht. Die heilige Barbara (eine der 14 Nothelfer) galt als Schirmherrin der Kirchtürme von deren besonderen Bedeutung in schweren Zeiten schon die Rede war. Eine Gebetsgemeinschaft mit dem Namen „Unserer lieben Frau" wird erstmals 1577 erwähnt.

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Es gab auch eine „Todesangstbruderschaft" (erste Nennung 1718). Diese Gebetsgemeinschaft fand jeden ersten Sonntag im Monat nachmittags in der Kirche mit Predigt, Gebeten und Gesängen statt. Am Montag darauf wurde ein Seelenamt für die Verstorbenen gehalten. Beim Gottesdienst hatte jeder Dorfbewohner seinen ganz bestimmten, festen Platz innerhalb der Kirche. Es gab 19 Bänke mit Sitzen, sie standen im vorderen Bereich. Daran schlossen sich nach hinten 45 Bänke ohne jede Sitzgelegenheit an. In der Mitte zwischen diesen Bänken war ein breiter Gang vom Eingang unter dem Turm nach vorne bis zur Kommunionbank. Die Sitzplätze, insgesamt 74, waren alle von Bottroper Familien gekauft worden. Auch wenn sie beim Gottesdienst leer blieben, durfte sie kein anderer benutzen. Die Mitglieder der drei Adelshäuser saßen vorne im Chorraum. Das Haus Knippenburg hatte vier Sitzplätze auf der Evangelienseite (vom Volk aus gesehen links), Schlangenholt und Haus Hove hatten je zwei auf der rechten Seite (der Lesungsseite). Wer keinen Sitzplatz kaufen konnte - aus welchen Gründen auch immer - musste sich mit sitzlosen Bänken begnügen.
Das galt u.a. für die vielen Besucher des Michaelismarktes. Die Sitzplätze wurden für Geld verliehen, getauscht oder weiterverkauft. Dieser sogenannte Sitzhandel wurde im Nachhinein mit folgender Bemerkung kritisiert: " Das Verkaufen der Plätze vermehrt Rangstolz, Grobheiten gegen die Fremden, die man oft zur Störung des Gottesdienstes mit keinen feinen Dorfkomplimenten aus den Bänken stößt". (Wesener, Pastor in St. Cyriakus von 1784-1793).Die damalige Gemeinde war aber auch bereit, Spenden aufzubringen. Als nämlich ein neuer Altar mit 5 Bildern ausgeschmückt wurde, haben die Dorfbewohner die Kosten dafür mitgetragen. Das ist deshalb so erstaunlich, weil bei Bauern und Köttern, die damals ja weder lesen noch schreiben konnten, Geld in ihrem alltäglichen Leben nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ihr Wohlstand zeigte sich in ihrem Viehbestand und in gefüllten Scheunen. In einem Kirchenbuch findet sich folgende Eintragung: .,Verzeichnis wass von den Junggesellen und töchteren Kirspels Bottrop zu den bildem auff dem newen altar verehrt worden 1680 im herbst:" Dann werden 75 Namen aufgeführt mit dem, was sie jeweils gespendet haben. Es waren in der Regel Beträge von 20-50 Stüber pro Person (1 Stüber - 0,20 DM). Insgesamt kamen 42 Reichstaler (= rd 500 DM) zusammen. Mit anderen Spenden, z.B. der Adelshäuser, kam man auf eine Endsumme von 111 Reichstalern (=etwa 1300 DM).Interessant ist noch, dass den Gläubigen die Kommunion unter beiden Gestalten (Brot und Wein) in Folge der Reformation schon vor 1568 in der Cyriakus-Kirche gereicht wurde. Die Zahl der Kommunionen lag bei etwa 1000 im Jahr. In der Osterzeit zahlten die Gläubigen beim Gottesdienst sogenannte Beicht- und Kommunionpfennige. Dafür erhielten sie ein kleines Bild (Kommunionandenken). Es diente u.a. dem Bauern dazu, dass er sehen konnte, ob seine Mägde und Knechte auch alle gut und fromm waren. In der Regel waren sie das ja wohl auch. Doch es muss Ausnahmen gegeben haben; denn sonst hätte es nicht folgende Verordnung gegeben, die im Oktober
1718 in der Kirche verlesen werden musste. Darin heisst es: „daß trotz Verbots einige Eingesessene des Dorfes Bottrop sich gelüsten ließen, während des Gottesdienstes Branntwein auszuzapfen und anderen dadurch den Anreiz gäben, weder Meß noch Predigt zu hören. 25 Goldgulden Strafe sollten in Zukunft den Branntweinzapfer treffen, der unerlaubt ausschenke und 5 Goldgulden denjenigen, der sich um diese Zeit in Wirtshäusern aufhalte, um Branntwein zu trinken."Besonders hervorheben muss man noch die bittere Armut der Pastöre der Cyriakus-Kirche in dieser Zeit. Ihre Einkünfte waren so gering, dass sie mit Messelesen, Beicht- und Kommunionpfennigen, mit Beträgen für Taufen, Beerdigungen ihren Lebensunterhalt verbessern mussten. Es waren die Stolgebühren (Handlungen des Priesters mit der Stola). Hinzu kamen zwar noch Kötterpfennige und freiwillige Spenden, besonders an den Festtagen, aber alles in allem waren sie arm wie die Kirchenmäuse. Pastor Paßmann vom Paßmannshof im Dorf (Paßstr.) aß täglich bei seinen Eltern zu Mittag, um sein Leben fristen zu können. Pastor Humperdink verbrauchte in seiner 57jährigen Amtszeit (1727-1784) sein ganzes elterliches Vermögen, das mehr als 1000 Reichstaler betrug. Keine Pfarre sei so erbärmlich wie die von Bottrop, er habe 124 Reichstaler (= rd. 1500 DM) im Jahr, schrieb sein Nachfolger Pastor Wesener in einem Bittgesuch an den Bischof noch im Jahre 1789. 
Trotz dieser bedrückenden Armut zeigten einige von ihnen ungewöhnlichen Mut. Das herausragendste Beispiel dafür ist der vom Baten- oder Bothenhof (östlich der Einmündung Adolf-Kolping-Str. in die Prosperstr.) stammende Pastor Rutger Baten. Unter schwierigsten Zeitverhältnissen gründete er die erste Volksschule in Bottrop und zwar im Jahre
1652. An der heutigen Hochstraße, südwestlich des Kirchturms, lag der Schanzermannskotten (die Schanze). Hier war diese erste Pfarrschule untergebracht. Das ganze Unternehmen wäre kläglich gescheitert, wenn nicht die Adelshäuser Welheim, Knippenburg, Schlangenholt und Haus Hove regelmäßig Geld dafür aufgebracht hätten. Selbst der Kurfürst von Köln, Max Heinrich, gab jährlich 5 Wagen Brennholz aus Bischofssondem, damit die Kinder im Winter in dem einen Klassenraum der Schule nicht frieren mussten. Hier saßen bis zu 100 Kinder, wobei nicht von einem regelmäßigen Schulbesuch auszugehen ist; denn es gab noch keine Schulpflicht ( erst im 18. / 19. Jahrhundert ). Besonders im Sommer fehlten viele, weil sie zu Hause mitarbeiten mussten. 
Der Unterricht war sehr bescheiden und umfasste Lesen, Schreiben, die „Anfangsgründe der Christenlehre" und Rechnen. Aber die Schule hatte sogar einen festen Lehrer. Das Amt des Dorfschullehrers lag von
1652 bis 1756 in den Händen der Familie Greveler. Auch die Lehrer waren arm wie die Pastöre. Jeder Lehrer betrieb nebenbei einen „Kleinhandel", d.h. er war Wirt. Eine Pensionsberechtigung gab es für ihn damals nicht, er musste bis zu seinem Tode unterrichten. Die Schule sollte „der notwendigen Lehr der Jugend dienen und für deren Leib und Seele nützlich sein", so begründete Pastor Rutger Baten trotz aller Armut, aber voller Optimismus seine Schulgründung.