850 Jahre St. Cyriakus

 

Fortsetzung unserer Geschichte Teil 5

Tiefen und Höhen liegen manchmal dicht hintereinander

Etwa ein halbes Jahr vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in einer Zeit also, die ausschließlich von den schrecklichen Kriegsereignissen bestimmt war, in der die Menschen voller Angst vor den Luftangriffen am Tag und in der Nacht in Bunkern und Kellern hockten, ausgebombte Wohnungen vorfanden, wo Strom und Wasser oftmals fehlten, es kaum etwas zu essen gab, genau in dieser Zeit wurde der neue Pfarrer von St. Cyriakus in sein Amt eingeführt. Es war Friedrich Dickmann, der am 26. März 1891 in Kirchhellen geboren wurde. Im Dom zu Münster hatte er 1915 die Priesterweihe erhalten. Bis 1927 war er in Münster und bis 1934 in Rheine tätig. 1934 wurde er zum Pfarrer in Waltrop (St. Marien) ernannt.
Am Sonntag, dem 27. August 1944, um 17:15 Uhr, wurde der neue Pastor vom Pfarrhaus feierlich abgeholt. Dechant Hülshorst überreichte ihm die Schlüssel des Gotteshauses. Und um 18.oo Uhr feierte Pfarrer Dickmann zum ersten Mal mit seiner neuen Gemeinde St. Cyriakus den Gottesdienst. Vor welchen Aufgaben er in der damaligen Kriegszeit stand, ist kaum vorstellbar. Doch Pfarrer Dickmann war ein unerschrockener Mann.
Am 30. März 1945, es war der Karfreitag, ging in Bottrop der Krieg zu Ende. Unter diesem Datum findet sich in der Pfarrchronik folgende Eintragung:„Die Liturgie muß ausfallen, da der Artilleriebeschuß zu groß ist und man deswegen nicht wagen darf, die Straße zu betreten. Die Bevölkerung hält sich zum größten Teil in den Bunkern auf."

Da gegen 14.00 Uhr die alliierten Truppen in Bottrop einzogen, heißt es weiter:„Alle Menschen atmeten erlöst auf."

Zielstrebig ging Pfarrer Dickmann nun daran, das Leben der Gemeinde wieder aufzubauen.
Ab April 1945 wurde wieder eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn mit der übriggebliebenen Glocke geläutet.
Im Mai 1945 (Pfingstsonntag) wurde die Erstkommunion der Kinder gefeiert, natürlich unter mehr als bescheidenen Bedingungen. Im August begann die Firmvorbereitung, so dass im Oktober der Bischof von Münster Clemens August Graf von Galen (seit 1946 Kardinal) 466 Firmlinge zu „Rittern Christi", wie es damals hieß, „weihen" konnte.
In diesem Jahr 1945 gab es sogar 59 Trauungen. Gleichzeitig ging man daran, die Not der Menschen zu lindern. Die Pfarrcaritas hatte eine Nähstube eingerichtet, wo Frauen unter fachkundiger Anleitung jeden Donnerstag ab 15.00 Uhr Sachen nähen konnten.
Ab Dezember stand hinten in der Kirche ein Korb bereit „zur Entgegennahme von Kleidungsstücken für ausgebombte und bedürftige Pfarrangehörige. Da die Not vielfach so groß ist, wird an die Freigebigkeit der Gläubigen appelliert." Und Anfang 1946 gab es folgenden Aufruf:

„Da vielen Kindern und Familien das tägliche Brotfehlt, bitten wir alle, die Brotkarten übrig haben, dieselben in den Opferkasten zu werfen."

In dieser Zeit unternahmen die Leute „Hamstertouren" zum Niederrhein und ins Münsterland, um im Tauschverfahren an Nahrungsmittel zu kommen.
1947 konnten die Pfarrnachrichten und auch das Kirchenblatt „Kirche + Leben" wegen Papierknappheit nicht erscheinen. Das war erst wieder ab Oktober 1948 möglich. Das Kirchenblatt umfasste dann 8 Seiten und kostete o,6o DM im Monat. Inzwischen hatte es nämlich am 20. Juni 1948 die Währungsreform gegeben.
Am sogenannten „Zählsonntag" belief sich die Zahl der Kirchenbesucher auf insgesamt 6.845.
Die Kirche selbst glich mehr einer Baustelle. Um die notwendigen Arbeiten, vor allem am Gewölbe, möglichst schnell ausführen zu können, wurde der Gottesdienst an den Werktagen im wieder erstellten Cyriakus-Haus gefeiert. Es stand neben der Kirche, wo sich heute der Cyriakusplatz befindet. So wurden nach und nach die Kriegsschäden behoben. Den Gesamtschaden, den die Kirchengemeinde erlitten hatte, bezifferte Pfarrer Dickmann auf über 1 Million Reichsmark.
Nachdem man bereits 1945 zwei Räume im alten Waisenhaus für die Kinderbetreuung angemietet hatte, konnte im Oktober 1949 der neue Kindergarten neben der Post eröffnet werden. Dafür hatte die Kirchengemeinde eine Baracke von der Polizei gekauft und so umgestaltet, dass zoo Kinder am Vor- und Nachmittag von den Schwestern und ihren Helferinnen betreut werden konnten. Der Kindergarten befand sich auf einem großen, freien Gelände, wo heute das Katholische Stadthaus steht.
Von ganz besonderer Bedeutung war das Heilige Jahr 1950. Die Gemeinde St. Cyriakus feierte ihr 8oo-jähriges Bestehen am Sonntag, dem 17. September. Schon am Vorabend war die Kirche von Scheinwerfern hell angestrahlt, private und auch öffentliche Häuser zeigten Fahnenschmuck, unzählige Menschen hatten sich um die Kirche versammelt. Die katholische Jugend sang vom Rathausturm, und anschließend erklangen Fanfaren zum Auftakt dieses einmaligen Jubiläums.Im Pontifikalamt am Sonntag verkündete Weihbischof Dr. Gleumes:„ Der Bischof von Münster, Dr. Michael Keller, hat diegeweihte Pfarre St. Cyriakus zur Würde einer Propsteikirche erhoben. "

Pfarrer Dickmann wurde damit die Würde eines Propstes verliehen. Als Zeichen dieser Würde erhielt er ein weißes Kreuz, auf dessen einer Seite der heilige Paulus (Patron des Bistums Münster) und auf der anderen der heilige Cyriakus (Pfarrpatron) abgebildet sind, dazu einen violett bordierten Talar mit Birett.
Am Nachmittag fand um 16.oo Uhr auf dem früheren Trappenkamp (dem heutigen Berliner Platz) eine große Glaubenskundgebung statt, an der 20.000 Menschen teilnahmen. Eine derartige Kundgebung hatte die Stadt Bottrop bis dahin noch nicht erlebt. Sicherlich gehört die Erhebung zu einer Propstei mit zu den bedeutendsten Ereignissen der jahrhundertealten Geschichte dieser Kirche St. Cyriakus in Bottrop.
Aufschlussreich sind noch zwei Zahlen aus dieser Zeit. Im Jahre 1950 gingen 500 Kinder zur Erstkommunion. Und 1952 firmte Weihbischof Roleff 950 Kinder in unserer Kirche.
Aus Anlass der Großstadtwerdung von Bottrop wurde am 7. März 1953, um 9.oo Uhr, in der St. Cyriakus-Kirche ein Hochamt gefeiert.
Im Oktober 1953 konnte Propst Dickmann den letzten Nagel in den neuen Dachstuhl der Kirche schlagen. Das Notdach des Krieges war abgerissen worden, und nach nur 5 Wochen Bauzeit wurde der Richtkranz über dem neuen Dach aufgezogen. Jetzt hatte es die ursprünglich geplante einteilige Form. Erst im Jahre 1954 konnte der im Krieg zerstörte Flügel des Marienhospitals wieder fertiggestellt werden.
Am Pfingstsonntag, dem 29. Mai 1955, feierte Propst Dickmann sein silbernes Priesterjubiläum. Aus diesem Anlass schaffte die Gemeinde zwei neue Kirchenfenster im Chorraum an. Sie befinden sich noch heute in unserer Kirche, das rechte Fenster hat den Tod Jesu als Thema, das linke seine Auferstehung. Der Entwurf dazu stammt von Otto Lauterbach (Krefeld), die Ausführung wurde durch die Firma Max Ixks Söhne (ebenfalls Krefeld) vorgenommen.

„Es sind die Steine, die den Bach zum Singen bringen"


Zur Cyriakus-Gemeinde gehörten um 1950 etwas mehr als 15000 Gläubige. Für eine Pfarrgemeinde war das sicherlich eine viel zu große Zahl.
Deshalb wurden im Laufe der Zeit zwei Abpfarrungen vorgenommen:
1. St. Elisabeth, eingeweiht im Jahre 1955, und
2. Heilig Kreuz, eingeweiht im Jahre 1957

glocke01Die Immaculata - Glocke wird hochgezogen

Später entstand dann noch der Kirchbau-Verein-West, weil man auch im Westbezirk an den Neubau einer weiteren Kirche dachte.
15 Jahre nach der Beschlagnahme der Kirchenglocken (1941) erhielt unsere Gemeinde im Jahre 1956 vier neue Bronzeglocken. Sie hängen bis heute noch oben im Kirchturm. Die kleine Aloysius-Glocke, die aus dem Krieg übriggeblieben war, hatte man für die Heilig-Kreuz-Kirche reserviert. Etwa 2.000 Menschen warteten am 30. November 1956 vor dem Rathaus, um die neuen Glocken feierlich zur Kirche zu geleiten.
Allerdings trafen die Glocken erst nach einer Verspätung von 1 1/2 Std. ein, und die vierte Glocke (Agatha) fehlte. Sie wurde 4 Monate später nachgeliefert. Die größte Glocke ist die Christ-König-Glocke (Durchmesser 1,60 m; Gewicht 2,500 t; Ton C'), es folgen die Cyriakus-Glocke (1,37 m; 1,450 t; Es'), die Agatha-Glocke (1,18 m; 0,980 t; F') und Maria Immaculata (1,03 m; 0,620 t; G'). Alle vier Glocken zeigen jeweils das Bild des Namensträgers. Die Umschrift auf der CyriakusGlocke lautet:

„Nach zweimaliger Zerstörung in den Kriegen 1917 und 1941 bin ich mit drei Schwestern neu erstanden. 195-6 unter Propst Dickmann gegossen von Feldmann und Marschel zu Münster. "

Wie die Glocken zur Kirche so gehört auch die Kirchenmusik zu jeder Gottesdienstfeier. Am 1. Oktober 1956 übernahm Herr Bernhard Korte mit 27 Jahren das Amt des Organisten und Chorleiters an der Propstei-Kirche St. Cyriakus. Er gestaltete die nächsten Jahrzehnte zu einer herausragenden kirchenmusikalischen Ära. Glanzlichter waren jeweils die hohen Festtage des Kirchenjahres, an denen Kantor Korte an der Orgel und der von ihm geleitete Chor ihr exzellentes musikalisches Können zeigten. Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf die Pflege des Choralgesangs und zeigte auch sein mitreißendes Engagement für den Kinder- und Jugendchor. Fast 40 Jahre lang, in denen er pro Jahr mehrere Konzerte gab, bis Ende September 1995, erfüllte er voller Elan diese wichtige Aufgabe des Kantors.

Seit dem 1. Januar 1958 gehört Bottrop (außer Kirchhellen) zum neu entstandenen Ruhrbistum Essen, dessen erster Bischof Dr. Franz Hengsbach (seit 1988 Kardinal) bis 4 Monate vor seinem Tode am 24. Juni 1991 war.
Ein besonderer Höhepunkt eines jeden Kirchenjahres war die Fronleichnams-Prozession. Bedenkt man, wo die damals üblichen vier Segensaltäre standen - z. B.

1. Altar auf dem Gleiwitzer Platz,
2. Altar an der Ecke Lamperfeld/Gustav-Ohm Straße (heute Hans- Böckler-Straße),
3. Altar am Kreuzkamp,
4. Altar auf dem Trappenkamp (heute Berliner Platz)

dann kann man leicht abschätzen, welche weiten Wege die etwa 3600 Teilnehmer zu dieser Zeit gingen. Im Jahre 1959 war zum letzten Mal der Segensaltar auf dem Berliner Platz aufgebaut worden.
Schon längst stand eine Generalüberholung des Kirchengebäudes an.Eine Überschrift in der Presse lautete damals:„Propstei-Kirche in Gefahr Bergschäden erzwingen vielleicht Neubau".

Doch die Rheinstahl-Bergbau AG empfahl der Kirchengemeinde noch zu warten, bis der Kohlenabbau unter der Cyriakus-Kirche abgeschlossen sei. Wohl oder übel folgte man dieser Empfehlung und verschob die dringende Renovierung auf einen späteren Zeitpunkt.
Nach 19 Jahren harter und schwerer Arbeit wurde Propst Dickmann am Sonntag, dem 10. November 1963, in einem feierlichen Dankamt und einer anschließenden Feierstunde im alten Kolpinghaus an der Osterfelder Straße verabschiedet. Über 600 Teilnehmer waren zu diesem Festakt erschienen. Dabei wurden vor allem seine geradlinige Haltung, sein zielstrebiges Wirken, seine Besonnenheit und Güte hervorgehoben. Er galt als „Vater der Gemeinde" ; dem man in dieser Stunde danken wollte.
Aus Krankheits- und Altersgründen - er war immerhin schon 72 Jahre alt - wollte und konnte er die kommenden Aufgaben nicht mehr auf sich nehmen: die Erweiterung des Marienhospitals, den möglichen Bau einer neuen Kirche im Westbezirk und die Schaffung eines Gemeindezentrums.

Aber Propst Dickmann blieb in Bottrop, und zwar im Alten- und Pflegeheim der Caritas an der Görkenstraße (heutiges Seniorenzentrum St. Teresa). Dort übernahm er die seelsorgliche Betreuung älterer Menschen. Mit seiner CyriakusGemeinde blieb er stets verbunden. Das zeigte sich besonders bei der Feier seines goldenen Priesterjubiläums. Am 30. Mai 1965 feierte er dieses Fest in St. Cyriakus mit einem Hochamt zusammen mit Pfarrer Bettray und Kaplan Others. Beim anschließenden Festakt im Overbeckshof wurde ihm für seine Aufbauarbeit die „Verdienstplakette der Stadt Bottrop" durch den damaligen Oberbürgermeister Ernst Wilczok überreicht.

In seiner Schlussansprache hob Propst Dickmann hervor, mit welchen Schwierigkeiten, von denen manche sogar völlig unnötig gewesen seien, er in den fast 20 Jahren an St. Cyriakus habe fertig werden müssen. Zufrieden stellte er dann doch fest:„Es sind die Steine, die den Bach zum Singen bringen."

Im November des gleichen Jahres wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Zehn Jahre später, am 1. Juni des Jahres 1975, konnte Propst Dickmann sogar noch sein diamantenes Priesterjubiläum mit der Gemeinde St. Cyriakus feiern. Propst Dickmann starb am 8. März 1977 an den Folgen eines plötzlichen Herzversagens.
Während des feierlichen Requiems in St. Cyriakus am 14. März 1977, um 15.00 Uhr, das der Diözesanbischof Dr. Franz Hengsbach zelebrierte, war der verstorbene Propst in seiner Kirche aufgebahrt. Seinen Sarg schmückten Kelch, Stola und Propstkreuz. Die große Teilnahme vieler Bottroper bei der anschließenden Beerdigung auf dem „Priesterhügel" des Alten Friedhofs dokumentierte noch einmal sehr deutlich, wie beliebt Propst Friedrich Dickmann in Bottrop war.

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