850 Jahre St. Cyriakus

 

Fortsetzung unserer Geschichte Teil 4

Es ist gut zu wissen, was die Glocke geschlagen hat

Im Jahre 1914 begann der Erste Weltkrieg. Es ist für uns heute nicht mehr vorstellbar, welche Kriegsbegeisterung damals die meisten Menschen erfüllte. Jeder glaubte an einen schnellen Sieg über die Gegner. Für einen langen Krieg waren keine Vorbereitungen getroffen worden. So gab es von Jahr zu Jahr immer weniger Nahrungsmittel. „General Hunger" regierte in ganz Deutschland.
Mitten im Krieg, im Oktober 1916, kam Vikar Joseph Wenner nach Bottrop an die Cyriakus Kirche. Zur Gemeinde gehörten 20100 Katholiken und insgesamt 6 Geistliche.
Joseph Wenner war am 20. Januar 1872 in Lüdinghausen geboren, 1897 in Münster zum Priester geweiht worden und in Coesfeld und Telgte als Kaplan tätig gewesen. Schon einen Monat später, im November 1916, wurde ihm die Pfarrverwaltung von St. Cyriakus übertragen, da Prälat Müller einen schweren Schlaganfall erlitten hatte und die Leitung der Gemeinde nicht mehr ausüben konnte.
Wie sich der Erste Weltkrieg auch auf die CyriakusKirche auswirkte, soll durch ein bezeichnendes Beispiel verdeutlicht werden. 1917 erreichte folgendes Schreiben den Pfarrverwalter J. Wenner:

„Anordnung, betr. Eigentumsübertragung auf den Reichsmilitärfiskus: Die Bronzeglocken sind von den Bauwerken zu entfernen und in der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni an die Sammelstelle Amt Bottrop, Zimmer 2, gemäß den Ausführungsbestimmungen vom 3. März 1917 abzuliefern. "-

Einige Zeit später merkte man wohl, dass man Glocken mit einem Gewicht von 50 kg bis mehr als 16oo kg schlecht so ohne weiteres in einem Rathauszimmer abgeben konnte. Deshalb wurde eine Bewachung der Glocken in der Kirche angeordnet. Weil der Glockenausbau nicht von den örtlichen Handwerkern vorgenommen werden konnte, setzte sich die Kirchengemeinde mit einer Glockengießerei in Gescher in Verbindung. Sie sollte im Juni die Glocken unter folgenden Bedingungen ausbauen:
"Vergütung pro Tag und Mann 20 Mark bei freier Station, möglichst in der Nähe der Kirche. Lebensmittelkarten werden von den Monteuren mitgebracht. "

Das Foto zeigt die Ablieferung der Kirchenglocken 1917. Außer der alten Cyriakus-Glocke wurden alle anderen "Soldaten", d. h., sie wurden für Rüstungszwecke eingeschmolzen.

Nach Beendigung des Krieges wurde aus dem Dorf Bottrop in einer unruhigen Zeit - Spartakisten hatten das Rathaus erstürmt - am 21. Juli 1919 eine Stadt.
Zu Beginn des Jahres 1921 hatte Prälat Müller aus Gesundheitsgründen auf sein Amt als Pfarrer verzichtet, deshalb wurde Vikar Joseph Wenner am 13. März 1921 als neuer Pfarrer von St. Cyriakus eingeführt. Die Gemeinde kannte ihn als Mann mit einem ausgeprägten Sinn für die Musik, für Ordnung und Sauberkeit, der bis spät in die Nacht tätig war.Am Sonntag, dem 15. August 1921, fand in seinem Pfarrhaus nach dem Hochamt die Gründung der Priesterbruderschaft unter dem Titel „Confraternitas Sancti Cyriaci Bottrop" statt.

glocke

Zu ihr gehörten damals über 50 aus Bottrop stammende Priester. Die Idee hierzu ging zurück auf den Geistlichen Friedrich Beelert, der als geborener Bottroper u. a. den Kirchenchor von St. Cyriakus von 1895 bis 1902 leitete und als Pfarrer an St. Ludgeri in Münster viele aus seiner Heimatstadt stammende Theologiestudenten um sich sammelte. Das Datum der Gründung war nicht zufällig gewählt worden, an diesem Sonntag feierten nämlich die drei ersten Steyler Patres aus Bottrop, Heinrich Hahn, Johannes Rademacher und Hermann Rohr, zusammen ihr silbernes Priesterjubiläum. Alle zwei Jahre treffen sich bis heute die Mitglieder dieser Priesterbruderschaft zu einem feierlichen Hochamt in der Cyriakuskirche, woran sich ein Heimatkapitel anschließt. Pfarrer J. Wenner übernahm einen Großteil der organisatorischen Aufgaben, denn er gehörte mit zu ihren stärksten Befürwortern.
Das Osterfest 1921 war für die Cyriakus-Gemeinde von ganz besonderer Bedeutung. Gegen 5 Uhr läuteten zum ersten Mal die vier neuen Bronzeglocken: Immakulata, Cyriakus, Agatha und Aloysius.
Für ihre Beschaffung hatte sich Pfarrer J. Wenner mit aller Energie eingesetzt. Diese Glocken waren vorher an der Stadtgrenze (Forsthaus Specht) von Reitern und Radfahrern abgeholt worden, alle Vereine, Schulen und andere Teilnehmer hatten sich an der Randebrockstraße versammelt, um die neuen Glocken zu empfangen. In einer dazu ein ladenden Pressemitteilung hieß es: „... dass für die beteiligten Vereine ein dunkler Anzug mit Zylinder nicht erforderlich ist. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes und der kirchlichen Gemeindevertretung dagegen erscheinen in dunklem Anzug und Zylinder. "
Die alte Cyriakus-Glocke von 1425 wurde nach einem Vertrag zwischen der Stadt und der Kirchengemeinde 1921 vor dem Rathaus als ehrwürdiges Geschichtsdenkmal aufgestellt.
1922 konnte Pfarrer J. Wenner sein silbernes Priesterjubiläum feiern, dazu erhielt er von der Gemeinde zwei prachtvolle, reichgeschnitzte Chorstühle, die noch heute in der Sakristei stehen und manchem müden Messdiener als bequeme Sitzgelegenheit dienen.
Am 6. April 1925 wurde eine neue Orgel mit 48 Registern eingeweiht. Sie stammte von der Firma Feith aus Paderborn. An dieser Orgel trat auch ein neuer Organist seinen Dienst an: August Everding, der Vater des späteren Professors August Everding, Generalintendant der Bayerischen Staatstheater in München. A. Everding senior versah dieses Amt bis zum Jahre 1956 und konnte damit sein goldenes Berufsjubiläum feiern. 50 Jahre lang hatte er der Kirche treu und redlich gedient.
Im Jahre 1926 begann eine gründliche Restaurierung der Cyriakus-Kirche, die sich in einem katastrophalen Zustand befand. Nach dem Plan des Architekten Franke aus Gelsenkirchen erhielt die Kirche zunächst eine ganz neue Bedachung. Die beiden Seitenportale wurden mit kapellenartigen Vorbauten versehen. Die heutige Seitenkapelle wurde umgestaltet und die Sakristei so ausgebaut, dass darüber ein Versammlungsraum entstand.
Im Gewölbe gab es Bergschäden, die Risse waren z.T. bis zu 20 cm breit. Der Plattenbelag des Bodens war vollständig zerstückelt, und die Fenster waren noch niemals gereinigt worden. Pfarrer Wenner schrieb dazu:
„Wegen der mit Kohlenstaub angereicherten Luft konnten die Bilder der Fenster, die von innen und außen dermaßen verstaubt waren, nicht mehr gesehen werden. Sie ließen nur noch kärgliches Licht in die Kirche. Das elektrische Licht musste dauernd brennen. "

Nachdem die gründliche Reinigung der Kirchenfenster und auch notwendige Malerarbeiten durchgeführt waren, wurde das Gewölbe des Mittelschiffs von dem Kunstmaler Wilhelm Remmes aus Köln mit 8 Bildern ausgestaltet. Das Grundthema dafür war die Verherrlichung von Christus König. Am ersten Weihnachtstag des Jahres 1926 war auch der neue Hochaltar fertiggestellt, er stammte aus dem Atelier Brüx in Kleve, hatte eine recht stattliche Größe und war von goldener Tönung.

Im Anschluss daran erfolgte eine Umgestaltung des Chorraumes. Die vier Seiten wurden mit anbetenden Engeln als Mosaikbilder neu geschaffen. Diese Arbeit war zum Weihnachtsfest 1928 fertig. Darauf ging es an die Erneuerung der beiden Seitenaltäre. Auf der linken Seite entstand der Marienaltar, ebenfalls eine Mosaikarbeit, fertiggestellt zum Fest Mariä Himmelfahrt 1929, und auf der "Männerseite" wurde der Josefaltar als Mosaikbild am Ende des Jahres 1929 vollendet. Alle Mosaikbilder sind auch heute noch in unserer Kirche vorhanden, aber seit 1966 durch davorgesetzte Wände abgedeckt.

Sinnvolles schaffen sinnloses Zerstören

In der Zeit von 1920 bis 1930 war die Cyriakus-Kirche durch die Initiative von Pfarrer Wenner vor allem innen neu gestaltet worden. Nachzutragen wäre noch, dass 1922 das Chorgestühl aus der Wallfahrtskirche in Kevelaer erworben werden konnte und dass 1932 ein neues Kupferportal unter dem Turm geschaffen wurde mit der Aufschrift:

„Mein Haus heißt Bethaus; darum empfängt, wer bittet,- wer .sucht, der findet, wer anklopft, dem wird aufgetan."
So war also für die Pfarrgemeinde wieder ein schönes und ehrwürdiges Gotteshaus entstanden. Wie sehr es genutzt wurde, geht aus einer Gottes - Dienstordnung für Sonntag, den 14. Februar 1932 deutlich hervor:
6.oo Uhr: hl. Messe
6.45 Uhr: hl. Messe und gemeinschaftliche hl. Kommunion der Männer-Jünglings-Sodalität und des Gesellenvereins
7.30 Uhr: hl. Messe und gem. hl. Kommunion der Mädchen der Agathaschule
8.30 Uhr: hl. Messe und Predigtfür die höheren Schulen und gem. hl. Kommunion für das Gymnasium
9.30 Uhr: Hochamt und Predigt
11.oo Uhr: letzte hl. Messe und Predigt
14.oo Uhr: Danksagungsandacht für das Gymnasium und Schulandacht
14.30 Uhr: Christenlehre und Kreuzwegandacht
18.oo Uhr: Fastenpredigt und kurze Andacht

Die Renovierungsarbeiten der Cyriakus-Kirche waren kaum abgeschlossen, da stand schon ein nächstes, riesiges Bauprojekt an.
Bereits seit 1926 hatte die Planung für einen völligen Neubau des Marienhospitals begonnen. Als sich dann einige Jahre später eine günstige Gelegenheit zum Geländekauf am Randebrock bot, griff die Kirchengemeinde zu. Das war der erste Schritt, danach fing das schwierige Verfahren der Kapitalbeschaffung an. Im September 1931 war Baubeginn, und am 18. Mai 1933 wurde das neue Marienhospital durch den Weihbischof Johannes Scheifes (Münster) feierlich eingeweiht. In seiner Rede bezeichnete Prof. Dr. Seeliger das Marienhospital als schönstes neuzeitliches Krankenhaus Deutschlands. Es stelle geradezu einen ideellen Hort der modernen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik dar. Entstanden sei es aus dem Geist der kath. Caritas, die Ausführung würde ausschließlich vom Opfersinn und der Verantwortungsfreudigkeit der Kirchengemeinde St. Cyriakus getragen. Pfarrer Wenner dankte besonders dem Architekten Johannes Nellissen aus Münster und den etwa 150 am Bau beteiligten Firmen. Dazu muss man bedenken, dass in der Zeit 1929/1930 infolge der Weltwirtschaftskrise eine sehr große Arbeitslosigkeit herrschte.
So konnte man 1931 in der Bottroper Volkszeitung vom 29. 10. dazu lesen:
„Das Projekt als solches bedeutet neben seinem großen kulturellen und gesundheitlichen Wertfür die Gesamtbevölkerung ein beachtliches Arbeitsfeld. Damit hat sich das Kuratorium gerade in der heutigen arbeitsarmen Zeit für die Entlastung des Bottroper Arbeitsmarktes ein unschätzbares Verdienst erworben, wofür ihm der Dank ganz Bottrops gewiss ist. "
Als im Jahre 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war für Pfarrer Wenner klar, was die Glocke geschlagen hatte. In der Chronik findet sich folgende Eintragung:
„Am 6. August 1938 gegen 2 Uhr ist von bisher unbekannten Tätern das alte Missionskreuz am südlichen Eingang der CyriakusKirche mit Gewalt aus dem Boden gerissen und über den Zaun eines anstoßenden Gartens (Schlüter) geworfen worden. "
Am Abend fand um 20.00 Uhr deshalb eine Sühneandacht statt. Die Verfolgung der Täter verlief wie nicht anders zu erwarten war - im Sande.
Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Bereits am 5. September erhielt die Kirchengemeinde ein Schreiben vom Polizeiamt Bottrop:
„ Um eine Beeinträchtigung in der Zielerfassung der Flak zu vermeiden, ist auf Anordnung des Luftkommandos VI sofort dafür Sorge zu tragen, daß in Flak geschützten Orten Glockengeläute unterbleiben. "
Im darauffolgenden Jahr war die Gemeinde St. Cyriakus von einer besonderen Todesnachricht tief betroffen. Ihr Küster Franz Schmitz war am 18. Mai 1940 gestorben. Er versah den Küsterdienst in St. Cyriakus 58 Jahre lang unter drei Pfarrern: K. Englert (1847 -1887), J. Müller (1887 -1921) und J. Wenner (seit 1921).
Im Volksmund wurde er nur „Kösters Franz" genannt. Als Sohn des Küsters Franz Schmitz sen. war er am 10. Mai 1860 in Bottrop neben der Kirche geboren worden und übernahm 1882, also mit 22 Jahren, dessen Küsteramt, weil sein Vater einen Schlaganfall erlitten hatte.
Unter großer Beteiligung der Gemeinde konnte er am 15. Februar 1932 sein goldenes Amtsjubiläum feiern. Für seine Verdienste innerhalb der Kirche der war (er war mehr als 25 Jahre Vorsitzender des Kirchenchores) erhielt er den päpstlichen Orden „Pro ecclesia etpontifice" durch Pfarrer Wenner überreicht.
Zweimal pro Woche musste „Kösters Franz" im Pfarrhaus erscheinen: einmal hatte er die Kirchenbücher auf den neuesten Stand zu bringen, das andere Mal wurde „Doppelkopp" gespielt, da musste er aber schon immer eine Stunde vorher da sein, denn er hatte für alle Spieler die Pfeifen richtig zu stopfen.
Als die Spartakisten 1919 das Rathaus erstürmen wollten, brauchten sie von ihm den Kirchenschlüssel, um mit den Glocken Sturm zu läuten. Doch der Küster F. Schmitz konnte und konnte den Schlüssel einfach nicht finden, so mussten sie ohne Glockengeläute abziehen.
Mit seinem Tod ging eine Küsterära in St. Cyriakus zu Ende; denn seit 1784 bis 1940, also 156 Jahre, lag das Amt des Küsters ununterbrochen in den Händen der Familie Franz Schmitz.
In einer Erklärung aus Münster wurde Pfarrer Wenner im Mai 1941 kommentarlos mitgeteilt, dass die vier Glocken des Jahres 1921 beschlagnahmt wurden. Sie gehörten alle zur Gruppe A, d. h., sie wurden unmittelbar der Verhüttung zugeführt.„Es empfiehlt sich, die Glocken vor der Ablieferung mit genauer Ortsangabe und Gruppenbezeichnung (hier A) zu versehen (Ölfarbe)."Und so musste Pfarrer Wenner zusammen mit seiner Gemeinde erleben, wie 1941 - 20 Jahre nach ihrem ersten Läuten - drei von den vier Glocken oben im Kirchturm zerschlagen wurden. Die Bruchstücke schaffte man nach unten und ließ sie zum Einschmelzen abtransportieren. Nur die kleinste Glocke „Aloysius" blieb allein im Kirchturm zurück.

Die nächsten Jahre brachten schreckliche Ereignisse mit sich. In der Nacht vom 11. zum 12. April 1942 wurde der linke Flügel des Marienhospitals durch eine Luftmine völlig zerstört. Im März des Jahres 1943 brannte das gesamte Dach der Kirche ab, wegen Wassermangels war ein Löschen der Flammen nicht möglich. Alle Kirchenfenster waren zertrümmert. Die Kirche bot einen „schaurigen beweinenswerten Anblick".

kirchebrand

marien

Neun Monate lang konnte in ihr kein Gottesdienst gefeiert werden. Das damalige Kolpinghaus und das Cyriakus-Haus neben der Kirche mussten dafür genutzt werden. Am ersten Weihnachtstag 1943 fand wieder der Gottesdienst in der notdürftig reparierten Kirche statt.
Dann starb am 20. Mai 1944 Pfarrer Joseph Wenner im Alter von 73 Jahren. Der Verstorbene wurde unter großer Anteilnahme der Gläubigen auf dem Alten Friedhof (Priesterhügel) beigesetzt. Und selbst seine Beerdigung wurde durch Fliegeralarm und Tiefflieger sehr stark gestört, so dass die Menschen in Deckung gehen mussten.

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